3.1 Studien zur Substratspezifitọt in trans-AT Polyketid-synthasen
3.1.1 In-vitro-Methode und Proof-of-Principle
Fỹr die In-vitro-Analyse der Substratspezifitọt von trans-AT-KS wurde von der AG Piel in einer Kooperation mit der AG Oldham (Universitọt Nottingham, UK) eine neue Methode entwickelt (Abbildung 50).94 Diese basiert auf der zeitlich aufgelửsten Massenanalyse von Proteinassays. Nach der Expression einer KS-Domọne wurde die Masse des Proteins mittels Elektronensprayionisierungs-Massenspektrometrie (ESI-MS) bestimmt.
Anschlieòend wurde das Protein mit verschiedenen SNAC-Substraten inkubiert. Der N- Acetylcysteaminrest imitiert Coenzym A (11), das normalerweise die Acylbausteine wọhrend der Biosynthese aktiviert. Somit erkennt bei passendem Acylrest das Protein die inkubierten SNAC-Derivate und bindet diese kovalent durch die Ausbildung einer Thioesterbindung. Das Protein akzeptiert nur Substrate zu seiner Spezifitọt passen. Die
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Beladung des Proteins mit dem inkubierten Substrat wurde an verschiedenen Zeitpunkten beobachtet. Dafỹr wurden die Assays sọurekatalysiert gestoppt, entsalzt und massenspektrometrisch analysiert. Die Acylierung wurde über einen Zeitraum von 50 Minuten beobachtet. Aus dem Quotienten der relativen Signalintensitọten der acylierten und der nicht-acylierten Domọne wurden jeweils die Acylierungsraten der getesteten Substrate berechnet und graphisch gegeneinander aufgetragen.
Abbildung 50: In-vitro-Methode zur Analyse der KS-Substratspezifitọt.
Fỹr ein Proof-of-Principle der In-vitro-Methode wurde eine Reihe an reprọsentativen, kurzkettigen Substraten 57a,b und 58-63 synthetisiert. Die Substrate 58-63 wurden von Sarah Frank aus der AG Piel synthetisiert. Die β-Hydroxysubstrate 57a und 57b wurden ausgehend von den kommerziell erhọltlichen Sọuren 119a und 119b in vergleichbaren Ausbeuten zur Literatur synthetisiert (Abbildung 51).95
Abbildung 51: Synthese der β-Hydroxysubstrate 57a, b; DCC: N-N´-Dicyclohexylcarbodiimid, 4-DMAP:
4-(Dimethylamino)pyridin, r.t.: Raumtemperatur, ü/N: über Nacht.
In einer Kooperation mit der Universitọt Nottingham (Matthew Jenner und Dr. Neil Oldham) wurden die Substrate 57a,b und 58-63 mit den exprimierten KS 1, KS 2 und KS 3 des Psymberin-Clusters und der KS 5 der Bacillaen-PKS inkubiert und mittels ESI-MS untersucht.94 Als Beispiel ist die ESI-MS-Analyse des Proteinassays der Bacillaen KS 5 mit Thioester 60 gezeigt (Abbildung 52). Zu Beginn (t = 0 min) wurde nur die Masse der unbeladenen Domọne ([KS5+47H]47+) detektiert. Im Verlauf der Inkubation wurde die Domọne von dem Substrat 60 acyliert. Nach 20 Minuten wurde nur noch die Masse der beladenen Domọne ([Acyl-KS5+47H]47+) gemessen.
Abbildung 52: Zeitlich aufgelửste Massenọnderung der exprimierten KS 5 der Bacillaen-PKS wọhrend der Inkubation mit Substrat 60.
Abbildung 53: Zeitaufgelửste Acylierung mit den Substraten 57a, 57b, 58-63; A) Psymberin KS 1, B) Psymberin KS 2, C) Psymberin KS 3, D) Bacillaen KS 5.
59 62 60 58 63 61 57b 57a
60 58 59
62 57b 57a
63 61
A
D C
60 62 58 57b 59 57a 61 63
60 62 58 59 57b 57a
63 61
t [min]
B
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Fỹr die KS 1-Domọne der Psymberin-PKS wurde eine hohe Substratspezifitọt erwartet, da sie zum einen am Anfang der Biosynthese lokalisiert ist und zum anderen ein kleines Substrat prozessiert (vgl. Abbildung 35 B). Jedoch zeigten die Ergebnisse der Proteinassays mit den Substraten 57a,b, 58-63 das Gegenteil. Alle getesteten Substrate 57a,b, 58-63 wurden von der KS-Domọne akzeptiert (Abbildung 53, Tabelle 1). Neben dem natürlichen Substrat 58 wurden die aliphatischen Analoga 59 und 60 in vergleichbaren Raten zum Thioester 58 prozessiert. Daraus lọsst sich folgern, dass die Kettenlọnge nicht der determinierende Faktor fỹr die Spezifitọt dieser KS-Domọne ist.
Weiterhin acylierten die β-Sauerstoff-verzweigten Substrate 57a,b und 62 im Gegensatz zu den β-Kohlenstoff-verzweigten Substraten 61 und 63 um den Faktor 30 schneller, sodass es trotz der niedrigen Spezifitọt Prọferenzen bezỹglich β-Sauerstoff- funktionalisierter Substrate gibt.
Tabelle 1: Initiale Acylierungsraten der Substrate 57a,b und 58-63 mit der Psymberin KS 1, KS 2, KS 3 und Bacillaen KS 5 berechnet aus ln([KS]/[KS0]); N.D.: keine detektierbare Acylierung wọhrend der Inkubation;
* SNAC-Thioester, der das putative natỹrliche Intermediat der KS imitiert; geschọtzter Fehler: ± 0.005•10-6 mol dm-3 s-1.
Substrat Initiale Acylierungsrate [10-6 mol dm-3 s-1] Psymberin-PKS Bacillaen-PKS
KS 1 KS 2 KS 3 KS 5
57a 0.40 0.10 0.02 0.01
57b 0.70 0.30 0.03 0.01
58 3.00* 0.30 0.30 0.07
59 2.00 0.30 0.10 0.06
60 2.00 0.30 0.20 0.07*
61 0.04 0.03 N.D. N.D.
62 2.00 0.30 0.20 0.02
63 0.03 0.03* N.D. N.D.
Eine ọhnlich breite Substrattoleranz weist die Psymberin KS 2 auf. Alle inkubierten Substrate 57a, 57b und 58-63 acylierten die Domọne (Abbildung 53). Jedoch wurden die unverzweigten Substrate 58-60 und das β-Ketosubstrat 62 im Vergleich zu den β-verzweigten Substraten 57a,b, 61 und 63 besser akzeptiert (Tabelle 1). Grund hierfür ist wahrscheinlich der geringere sterische Anspruch der unverzweigten Thioester 58-60 und 62.
Die KS 3 des Psymberin-Clusters ist laut Vorhersage eine nicht-verlọngernde KS, die ein (S)-β-Hydroxyintermediat prozessiert. Die Studie zeigte, dass sowohl die unverzweigten Substrate 58-60, als auch die β-Sauerstoff-funktionalisiertem Substrate 57a, b, 62 von der Domọne toleriert werden (Abbildung 53 C, Tabelle 1). Im Gegensatz dazu wurde bei
den β-Kohlenstoff-verzweigten Thioestern 61, 63 keine Acylierung beobachtet. Aus den initialen Acylierungsraten geht hervor, dass das (S)-konfigurierte Hydroxysubstrat 57b 1.5-fach schneller acyliert als das (R)-konfigurierte Analogon 57a. Dieses Ergebnis ist im Einklang mit der vorhergesagten Konfiguration der Hydroxygruppe im natürlichen Intermediat der KS-Domọne.
Die Studie der Bacillaen KS 5 zeigte, dass diese Domọne eine hohe Substratspezifitọt aufweist. Ähnlich zu der Psymberin KS 3 wurde keine Acylierung der Bacillaen KS 5 bei den β-Kohlenstoff-verzweigten Thioestern 61, 63 detektiert. In der putativen Biosynthese prozessiert die KS 5 ein E-2-Butenoyl-Substrat; dies spiegelte sich auch in dieser Studie wieder. Das α,β-ungesọttigte Substrat 60 acylierte im Vergleich zu den anderen getesteten Substraten 57a, 57b, 58, 59 und 61-63 am schnellsten das Protein. In vergleichbaren Raten zu Thioester 60 wurden auch das Acylsubstrat 58 und das gesọttigte Substrat 59 akzeptiert. Der geringe sterische Anspruch ist hier wahrscheinlich wiederum der Grund für die Substrat-Akzeptanz der KS.
Fazit: Das Proof-of-Principle bestọtigte die Prọsenz einer Substratspezifitọt in trans-AT- Ketosynthasen. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass die eigens entwickelte Methode geeignet ist, um verlọssliche Aussagen ỹber die Substratspezifitọt von trans-AT zu erhalten. Die Ergebnisse belegen, dass die Spezifitọt in verschiedenen KS-Domọnen unterschiedlich stark ausgeprọgt ist. Wọhrend die KS 1 und KS 2 der Psymberin-PKS eine niedrige Spezifitọt bezỹglich α,β-modifizierter Intermediate aufweist, zeigten die KS 3 des Psymberin-Clusters und die KS 5 der Bacillaen-PKS ausgeprọgte Prọferenzen bezüglich der getesteten Thioester. Analoga mit Kohlenstoffverzweigungen in der β-Position wurden von diesen Domọnen nicht toleriert.