Der Anfang einer faunistischen Erforschung Kretas wurde erst zu Beginn der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch Dr. Irare (Emerich) v. Frivaldszky gemacht, welchem das groòe Verdienst gebỹhrt, vielfach als Pionier der natur- wissenschaftlichen Erforschung in Osteuropa gewirkt zu haben.2)
Frivaldszky sandte im Frühjahr 1843 den Sammler Franz Zach nach Kreta3) und im darauffolgenden Jahre seinen Neffen Janos v. Frivaldszky mit einem weiteren Sammler, Andreas Terren. Diese verblieben bis 1845 auf Kreta und suchten die Insel nach allen Richtungen zu durchforschen. Jedenfalls wurden von ihnen auch die Sphakiotischen Berge und das Psiloriti-Gebirge besucht. In Ost- kreta scheinen sie nicht gesammelt zu haben. Sie dürften auch Lichtfang und jeden- falls Raupenzucht betrieben haben.
Frivaldszky bemerkte, daò Kreta trotz seiner Ausdehnung vieler Festlands- formen entbehre, daò die meisten Lepidopterenarten von solchen aus anderen sỹd- lichen Gegenden abweichen, und daò auch eine Anzahl eigener, neuer Arten vor- handen sei, welche aber viel geringer bleibe als jene der neuen Pflanzen.4)
1) Allgem. Biol. d. Schmett., I (Zool. Jahrb. [Abt., Sept.], V. Bd., p. 312). •
2) F r i v a l d s z k y J , Rửv. Att. (Term. Tars., Evkửn I [1851 —1845], p. 171 —175); S t a u d i n g e r , Hửr. Ent. Ross., VII, p. 5; XIV, p. 180 (QuellenVerzeichnis Nr. 2, 7 und 26).
3) A i g n e r , Lepk. Tửrt. Mag., 1898, p. 7 1 .
4) Letztere Bemerkung trifft nur auf die absolute, nicht aber auf die relative Zahl der endemi- schen Arten zu (vgl. vorne, p. 70).
Die Lepidopterenfauna Kretas. 91
Er fỹhrt in der nicht leicht zugọnglichen Publikation1) nachstehende n charak- teristische Lepidopterenarten von Kreta an, welche hier in systematischer Folge ge- bracht werden:
Danais (Euploea) chrysippus L.
Satyriis (Hipparchia) amalthea Friv. (Neubeschreibung).
Coenonymphd (Hipparchia) thyrsis (Friv.).
Lycaena trochylus (Friv.).
ằ psylorita (Friv.).
(Choerocampa) alecto (L.).
Hadena lenconota (Friv.).
ằ retina (Friv.) ( = Prodenia littoralis B.).
Erastria sphakiota (Friv.) ( = Thalpochares candidana var. skaòota H.-S.).
Ophiusa gentiliata (Friv.) ( = Pseudophia illunaris Hb. var. syriaca Bugn.).
Problepsis (Caloptera) ocellata Friv. (Neubeschreibung).
Diese wertvollen, aber leider nur zu spọrlichen faunistischen Nachrichten blieben bis auf die zwei von Frivàldszky selbst an dieser Stelle publizierten Arten (Satyrus amalthea, Probi, ocellata) und die weiteren durch Freyer und Herrich-Schọffer verửffentlichten Arten unbeachtet.
Namentlich M. H. Lucas in Paris, welcher io Jahre spọter (1854) eine Liste der Kreta bewohnenden Arthropoden publizierte,2) wuòte nichts von der so erfolg- reich gewesenen Sammelexpediüon Frivaldszkys und dessen Nachrichten darüber.
Lucas fỹhrt nur 26 Lepidopterenarten von, Kreta auf,, zum grửòten Teil die ge- wửhnlichsten Tagfalter, unter den wenigen Heteroceren auch einige unrichtig be- stimmte Noctuiden.
Diese Liste Lucas' wurde unverọndert, nur um den Seidenspinner vermehrt, in Raulins groòes Werk ỹber Kreta (1869)3) aufgenommen.
Fast gleichzeitig mit Raulins Werk erschien Dr. Staudingers grundlegender Beitrag zur Lepidopterenfauna Griechenlands,4) in welchem auch die Fauna Kretas berücksichtigt ist.
Obwohl Staudinger nur 50 Arten von Kreta anführt, erwarb er sich doch fỹr diese Insularfauna das groòe Verdienst, durch einen Besuch am Nationalmuseum in Budapest und mündliche Rücksprache mit Johann v. Frivaldszky eine Anzahl der wertvollsten Angaben über dessen seinerzeitige Sammelerfolge auf Kreta zu erhalten und für die Wissenschaft zu sichern.
Durch mehrere Dezennien wurde hierauf in Kreta bis zu Beginn des gegen- wọrtigen Jahrhunderts fast nichts gesammelt, woran die fortwọhrenden Unruhen und Aufstọnde, welche schlieòlich im Jahre 1897 zum Zusammenbruch der tỹrki- schen Herrschaft führten, Schuld trugen.
Englische Flottenoffiziere, welche in der Suda-Bay stationiert waren, machten wieder den Beginn mit kleinen Aufsammlungen, wie G. F. Math e w im Jahre 1897 5) und T. B. Fletcher im Jahre 1900.6)
') Rửv. Att., p . 173 ff. (QuellenVerzeichnis Nr. 2).
2) Q u e l l e n v e r z e i c h n i s N r . 3 .
3) Q u e l l e n v e r z e i c h n i s N r . 5.
4) Q u e l l e n v e r z e i c h n i s N r . 7.
5) Q u e l l e n v e r z e i c h n i s N r . 4.
6) Q u e l l e n v e r z e i c h n i s N r . 1.
Erst der bestbekannte entomologische Reisende Martin Holtz nahm im Jahre igo3 einen lọngeren Sammelaufenthalt auf Kreta, in Asitaes, und brachte von dort wieder eine umfangreichere Ausbeute mit.1) Obwohl er sein Hauptaugenmerk auf Coleóptera gerichtet hatte, enthielt seine Lepidopterenausbeute doch einige sehr be- merkenswerte Neuheiten, wie Thais cerisyi eretica und Larentia eteoeretica. Auf dem Psiloriti-Gebirge gelang es ihm, Lyc. psylorita wieder in Anzahl zu erbeuten.
Holtz gab selbst eine sehr anschaulich geschriebene Schilderung seiner Reise.2) Im selben Jahre igo3 machte Leonis von Athen aus eine Sammelreise nach Westkreta.3)
Im darauffolgenden Jahre 1904 fanden die Forschungsreisen des Botanikers Ignaz Dửrfler und der Zoologen Dr. R. Sturany und Dr. H. Rebel nach Kreta statt. ĩber den ọuòeren Verlauf dieser Reisen wurde bereits an anderen Stellen eingehend berichtet.4)
Die Erledigung der umfangreichen Ausbeute letzterer Reise, durch welche die Zahl der von der Insel bekannten Lepidopterenarten nahezu verdreifacht wurde, bildet den eigentlichen Anlaò der vorliegendgn Gesamtbearbeitung der Fauna Kretas.
Auch von Herrn Dửrfler, welcher den Lepidopterenfang selbstredend nur als Nebensache betreiben konnte, rỹhrt eine groòe Anzahl sehr wertvoller Lokalitọts- angaben her.5)
Im Jahre 1906 sammelte Herr L. Biro, vom Ungarischen Nationalmuseum, auf Kreta und besuchte auch das Psiloriti-Gebirge, wo er ein weibliches Stück der aus dem Lasithi-Gebirge neu beschriebenen Agrotis sturanyi Rbl. erbeutete.6)
In jüngster Zeit (1914) hatte Herr G.Paganetti-Hummler einen kurzen Sammel- aufenthalt in Westkreta.7)
' Mọngel in der faunistischen Erforschung Kretas erscheinen vor allem noch darin gelegen, daò der Lichtfang, namentlich in dem im Mediterrangebiet so er- giebigen Monat September, bisher nur sehr wenig ergeben hat und auch die Raupenzucht bisher noch nicht mit jener Intensitọt betrieben werden konnte, wie sie zu einer allseitigen Erforschung der Fauna notwendig wọre.
x) Quellenverzeichnis Nr. 11.
2) H o l t z Martin, Reisebilder aus Kreta (Ins.-Bửrse, Bd. XXI, 1904, p. 275, 284, 292, 3oo; ib., XXII, p . 171, 175, 179, 182, 186, 190, 194, 198, 202, 207.
3) Quellenverzeichnis Nr. 12.
4) D ử r f l e r Ign., Eine botanische Forschungsreise nach Kreta (Sitzungsber. d. kais. Akad. d.
Wiss. in Wien, math.-naturw. KL, vom 3. November 1904, Anzeiger Nr. 22, p. 1—8).
R e b e l , Dr. H. und S t u r a n y , Dr. R.: Bericht über eine zoologische Studienreise nach Kreta (X. Jahresber. d. Ver. zur naturw. Erforschung des Orientes, 1904, p . 6—16).
R e b e l , Prof. Dr. H., Eine zoologische Studienreise nach Ostkreta. ^ Vortrag.) (Ver. zur Verbreit, naturw. Kenntnisse, 47. Jahrg. (1906), p. 153—174ằ m- 3 Taf.)
5) Vgl. Quellenverzeichnis Nr. 9.
6) Vgl. Quellenverzeichnis Nr. 8.
7) Vgl. Quellenverzeichnis Nr. 13.
Die Lepidopterenfauna Kretas.
Besonderer Teil.